Ein Stapel alter Computer, so wie man ihn ab und zu an der Straße sieht, wenn ein Büro aufgegeben oder renoviert wird, vielleicht. Zirka 120 technologische Elemente, von Computergehäusen über Monitoren, Modems, Tastaturen, Druckern und Mäusen sowie unzähligen Kabeln sind es hier. Thematisiert ist die aberwitzige Geschwindigkeit mit der die Informationstechnologie an Wert verliert. Längst haben Flachbildschirme diese Kolosse – Statussymbole von gestern – unter denen sich die Platte des eigens dafür entworfenen Computertischs bog, ersetzt. Vor nicht allzu langer Zeit ging man in den Laden und suchte sich einen Computer aus, der den hier zusammengetragenen Geräten nicht unähnlich war. Die Ästhetik hat sich komplett geändert. Heute glänzen die Computer, die man stolz aus dem Shop trägt. Auch gilt nicht länger: je größer, desto besser, vielmehr geht es darum, eine für den Normalverbraucher kaum nutzbare Speicherkapazität und Verarbeitungsgeschwindigkeiten, die das Gehirn nicht registrieren kann, in möglichst kompaktem Gehäuse zu erstehen.
In der Ausstellung steht man nun diesem Skelett-Park gegenüber, leere Hüllen, die von der jüngsten Vergangenheit künden. Was in diese standardisierten Computergehäuse alles mal rein sollte, bleibt ein Rätsel, das zukünftige Archäologen vielleicht einmal lösen werden. Diese Art Gedenkstätte für Technologie wirft die Frage auf, was einmal passieren wird, denn bisher ist diesen Pforten in die virtuelle Welt, den Cyberspace, kein eigenes Museum gewidmet, woran die Vitrinen im Hintergrund erinnern.
Eine Art verdichteter Spinnenweben, die sich über die Arbeit hinweg durch den Raum ziehen, verweisen auf das Altern. Sie sind zäh und noch nicht ganz versteift, denn schließlich gehören diese Apparate der jüngsten Vergangenheit an, und die archäologischen Schichten sind noch nicht erhärtet. Bei genauerem Hinsehen offenbart sich, dass sie aus Tesa sind, genau wie das vermeintliche technische Gerät. Der erste Eindruck trügt, denn die schnelle Auffassung wird beim Betrachter mental ergänzt. Auf der Basis ihrer Recherche im Internet haben die Künstlerinnen Maria und Natalia Petschatnikov aus Pappe und Tesafilm hochkomplexe technologische Gegenstände nachgebaut. Pappe macht die Hüllen noch leichter und betont ihre Leere, denn die gespeicherte Information, die den Computern ihre Bedeutung gibt, fehlt. Gleichzeitig betont Pappe als Verpackungsmaterial diesen Hüllencharakter der vermeintlichen Computergehäuse. Tesafilm kommt immer dann zum Einsatz, wenn es darum geht, einen Gegenstand zu reparieren. Die geflickte Verletzung der maschinell hergestellten Oberfläche wird sichtbar und kündet von der Geschichte des Allerwelts-Gebrauchsgegenstands. Auch die hier nachgebauten Computer haben eine organische Form. Diese verleiht ihnen eine Ausstrahlung, die sie nahbarer macht und den Betrachter dazu motiviert, sich mit ihnen auseinanderzusetzen.
Die Unebenheit der Oberflächen und die Choreographie der Geräte erwecken den Anschein, als wären die Objekte in Bewegung. Vorne bricht eine Mäuseparade aus der Gruppierung aus. Hierin steckt ein Hinweis auf die Dynamik, die die Computertechnologie für die Globalisierung bedeutet hat. Mithilfe der Informationstechnologie sind Distanzen überbrückbar geworden. Wie in der Installation ist die Welt verkabelt, kaum eine Barriere existiert mehr. Doch das Überschreiten von Zeitzonen und Grenzen bringt den Menschen schnell an seine eigenen Grenzen.
In dieser Installation gibt es unendlich viel Kabel. Schwarz windet es sich durch die Anhäufung von Gerät, doch erfüllt auch dieses nicht seine Funktion, denn keines der Geräte ist miteinander verbunden oder überhaupt angeschlossen. Weder die Modems können ihren Zweck erfüllen, noch ist ein Zugriff auf den Computerinhalt über Maus oder Tastatur gewährt. Welchen Sinn würde das auch machen, wäre es doch eine Verkabelung von etwas, das nicht mehr funktioniert. Anklagend starren die blinden Bildschirme dem Betrachter entgegen – Augen, die desolat und tot sind. Diese unterbrochene Kommunikation betont eine negative Präsenz der Technologie.
So haben Maria und Natalia Petschatnikov ein Ensemble geschaffen, das chaotisch und sinnlich, nicht akkurat, wie eigentlich mit Technik assoziiert, auf die unsere Zeit bestimmende Technologie zurückblickt. Das Gemälde Computer Corner vereint Geräte beider Generationen und auch hier windet sich das Kabel auf dem Tisch, und greift auf die Arbeitsfläche über. Die leichte Aufsicht erweckt den Anschein, als schwebe der Betrachter über dem Bild, das den technologischen Umbruch aufgreift. Der doppelte Arbeitsplatz beinhaltet neben dem Generationswechsel, aber auch eine Doppelung, wie sie wiederholt im Oeuvre der Petschatnikovs auftaucht, doch das ist ein anderes Thema … .
Hamburg, September 2006