KUNST -STOFF

C15, SAMMLUNG ULLA UND HEINZ LOHMANN, HAMBURG
Sandra Hirsch, opening speach (Deutsch)

“KUNST -STOFF”

Sehr geehrte Freunde der Galerie C15,

auch von meiner Seite ein herzliches Willkommen an alle -
Sie werden sich ja schon ein wenig umgesehen und festgestellt haben, das dem erwartungsgemäßen Eindruck einer Vernissage, mit ihrer repräsentativen Einfassung der Bilder in Rahmen, hier mit einer Art Ateliersituation begegnet wurde: Man macht die Tür auf und ist schon mittendrin - bunt wuchert es um Ecken und an Wänden entlang und nimmt zum Teil schon von der Decke Besitz. Man geht entlang an Skizzen, locker an die Wand gepinnten Entwürfen, beklebten Prospekten und dem riesigen, raumfüllenden Doppelporträt von zwei jungen Frauen.
Aber was hier so farbenfroh und zwanglos arrangiert erscheint ist schließlich ausgewiesen als Moderne Kunst, was im Zweifel bedeutet, dass das unvoreingenommene Staunen beendet ist und die angestrengte Einordnung der Ausstellungsobjekte in einen allgemeinen Sinnzusammenhang beginnt - kurz, der Spaß ist aus! aber gottseidank gibt’s nachher was zu trinken...

Und dann fiel eben schon das Stichwort Porträt:
Das wäre doch jetzt meine Stelle der Überleitung zum biographischen Plauderteil. Nach alter Manier sollte ich ihnen nun neben Geburtstag und Kindheit der beiden wichtige Stationen aus deren Leben erzählen, am besten gespickt mit einer rekonstruierten Kindheitsepisode, bei der kaum etwas anderes herauskommen wird, als dass die Berufung zur Kunst bereits mit den ersten verbotenen Kritzeleien auf der Kinderzimmertapete besiegelt war.
Oft war ich Zuhörerin bei solchen Gelegenheiten und wurde bei genau diesen Stellen von schrecklicher Müdigkeit und geistiger Lähmung geplagt, während meine Hände langsam das Ausstellungsprospekt zerfledderten, auf dem all diese Daten sowieso standen... Soviel in Kürze zu den Klischees, die eventuell nicht nur über Moderne Kunst, sondern auch über Kunsthistoriker bestehen.
Aber wer den Auftrag zur Rede hat, der hat einerseits die Arbeit, andererseits die Freiheit der Entscheidung über den Inhalt, und so sage ich: “lassen wir mal das Private und Anekdotische und all die Klischees und Erwartungen und wenden uns nur den für die Arbeit der beiden Künstlerinnen wesentlichen biographischen Aspekten zu und dann vor allem ihrer Kunst: Mein Anliegen bedeutet, Strukturen und Muster zu erkennen, die dem Betrachter die Schlüssel in die Hand geben, um eigenständig und unabhängig von Interpretation immer neue “Ateliertüren” aufzuschließen und ein Werk im Prozess zu begleiten.

Bei Maria und Natalia Petschatnikov gehört die gleichermaßen konservative wie fundierte künstlerische Ausbildung in ihrer russischen Geburtsstadt zu diesen signifikanten Punkten ihrer Entwicklung. In St. Petersburg absolvierten sie eine traditionelle Ausbildung, zu der der sichere Umgang mit den verschiedenen Techniken und Malmaterialien ebenso wie die Kenntnis der Stile und Epochen gehört - dieses solide Fundament ist unter dem jungen Nachwuchs in der Malerei mittlerweile eine Seltenheit und bildet sozusagen die russische Ausgangsbasis für den Aufbruch der beiden Petschatnikovs in die Moderne.
Ihre Studien und Reisen führen sie weiter zu jeweils längeren Aufenthalten in New York und Paris, eine Zeit lang arbeiten sie in Marseille, seit einiger Zeit leben sie in Hamburg. Die französischen und transatlantischen Einflüsse verweben sich in ihrem Kunstschaffen zu einem charakteristischen Ausdruck mit den unterschiedlichsten Mitteln, sogenannte “Fundstücke” wie Warennetze, Wollfäden, Tapetenmuster und Plastiktüten werden Gegenstand von Installationen, deren zeitgenössisches Material oftmals die Spuren traditioneller Techniken oder Zitate alter Meister integriert und im offenen Diskurs durchscheinen lässt. Die Petschatnikovs agieren als Duo, untrennbar sind die gemeinsamen Schaffensprozesse, durch Harmonie und Konfrontation entsteht ein Werk, das die Synthese zwischen klassischer Form und offenem Experiment wagt.
Mit ihrer feinen Technik und ihren vielschichtigen Installationen beeindruckten sie Galeristen und Kunstkenner von den USA über Frankreich bis nach Deutschland und Russland. Mit der Teilnahme am International Young Art Programm 2002 von Sothebys sind Maria und Natalia Petschatnikov nicht nur in der Avantgarde, sondern auch auf dem internationalen Kunst- und Auktionsmarkt angekommen.

Moderne Kunst hat das große Problem, zum einen Ausdruck ihrer Zeit, zum anderen aber eben dieser Zeit und ihren Menschen nur schwer zugänglich zu sein. Für Werke der Avantgarde gibt es kaum einen Konsens der Begrifflichkeit und so etwas wie allgemeingültige Qualitätskriterien festzulegen muss fehlschlagen, bei immer wechselnden Formen, Ausdrucksweisen und Medien.
Doch die Freiheit der Künstler in der Wahl ihrer Mittel und der Ausführung schließt die Kommentatoren mit ein. Wo Bezugspunkte und Kriterien fehlen, tritt anstelle der konkreten Aussage die von den unterschiedlichsten Motivationen geprägte Interpretation, das große Fabulieren setzt ein.
Es gibt kaum einen Künstler der nicht auch ein wenig leidet, wenn er den laienpsychologischen Deutungen eines wohlmeinenden Rezensenten ausgesetzt ist. Der Kampf gegen Klischees und Schubladen wird nicht selten achselzuckend von Seiten der Kunstschaffenden aufgegeben, zu groß ist der Verlust an kreativer Energie, wenn man weiß, dass in der nächsten Werkphase alles von vorne anfängt. Den beiden Künstlerinnen hier ergeht es nicht anders: Den Amerikanern erschienen die Tüllinstallationen von Maria und Natalia als “typisch französisch”, für das deutsche Publikum war klar: ”aha Tüll also, natürlich Russisches Ballett, na klar”... Mit ihren Tüteninstallationen wurden sie bei den politisch-korrekten Deutschen fast zu Greenpeace-Aktivisten, den Russen war zwar die Farbigkeit dieser Projekte vertraut aber das Material, “naja, hm, sehr modern”...
Befragt man die beiden selbst, was vielleicht nahe liegen sollte, lehnen sie strikt die Beschränkung ihrer künstlerischen Arbeit auf die des politischen Statements oder der Hommage an die Kultur ihrer Heimatstadt ab. Und während man sie irgendwo noch als “Tüll-” oder “Tütenkünstler” feiert, haben sie diese Materialien schon längst wieder hinter sich gelassen.
In den meisten Fällen entspringen diese meist substanzlosen Kategorisierungen der Hilflosigkeit, in der Vielgestaltigkeit der Modernen Kunst und ihrer Sinn-Möglichkeiten nicht unterzugehen. Dabei ist der Zugang zu sämtlichen Formmöglichkeiten des 20. und 21. Jahrhunderts erschließbar, und zwar indem man davon ausgeht, dass künstlerische Tätigkeit ein Produzieren, ein Herstellen von eigenständigen Formwirklichkeiten und nicht ein Nachvollziehen vorgefundener Wahrnehmungswirklichkeiten ist.

Mit dieser Haltung kommt man der vielschichtigen Sache schon näher, denn es gibt sie tatsächlich, die untrüglichen Zeichen, die objektiv und real bestehende Qualität neben dem ersten visuellen und oft emotionalen Impuls, der einem gleichsam die Mittel zur Erkenntnis in die Hand gibt:
Was passiert hier?
Was haben sie da gemacht? Wie sieht es aus- von Nahem, von Weitem?
Um was geht es, um das Thema oder die Form? In welchem Bezug steht es?
Aus dem unverstellten Staunen des ersten Eindrucks und mit diesen rudimentären Fragen treten bereits Themen und Strukturen ans Licht, die den weiteren Weg ganz konkret sichtbar machen.

Betrachten wir das Werk, welches überlebensgroß die Wand einnimmt. Es handelt sich um Moderne Kunst, oder nicht? Die beiden Künstlerinnen sind gegenwärtig, die Sache ist also neu, in der Jetzt-Zeit geschaffen, und auch das große Format, das sich ausschließlich einem Detail widmet stammt aus der Moderne. Dann aber schleicht sich der erste Zweifel ein: Porträt? Doppelbildnis? Das kennt man aus dem Museum, und zwar aus den ganz alten Abteilungen, wenn man das Mittelalter gerade verlässt, zur Zeit der Renaissance, als der Mensch sich seiner selbst, seiner Individualität und seines schöpferischen Potenzials bewusst wurde und es zum Thema in der Kunst machte. Seitdem ziehen sich die Bildnisse durch alle Epochen mit den ihnen eigenen Phänomenen: Die ehrbaren und strengen Köpfe von Theologen und Humanisten des 16. Jahrhunderts, die reichen Kaufmänner der Handelsstädte des 17. Jahrhunderts, die rosig-glühenden und rundlichen Schönheiten des Barock im 18. Jhd. sowie die zierlichen Doppelbildnisse von Eheleuten des Biedermeier bis hin zu den in grelles Licht und von der Gegenstandsfarbe losgelösten Konterfeis der Expressionisten.
Folglich ist das Bildthema des Doppelporträts ein altes, in einer langen Tradition stehendes? Und hatte die moderne Kunst nicht längst die Abbildung hinter sich gelassen? Und sieht man hier nicht deutlich den Realismus, das changierende Dunkelblond der Haare, die leichte Rötung einzelner Hautpartien, die Schattierung an den Schläfen?
Scheinbar so altmeisterlich aber dann nicht auf Leinwand, nicht sauber im Rahmen, sondern stattdessen dieser knisternde, raschelnde “Bildträger” - Folie, viele kleine übereinandergeklebte Folienschnipsel - in welchem Bezug steht dieser filigrane Aufwand zum Bild selbst? Das Material gibt die Antwort: Bei den Folien handelt es sich um Plastiktüten wie man sie überall und in jedem Geschäft findet. Der Kunst - Stoff zur Erstellung der Porträtmalerei kommt somit nicht aus dem Kunstfachhandel sondern von der Straße.
Für ihr Werk haben Maria und Natalia Petschatnikov die Plastikfolien geglättet und in transparenten Schichten aus einzelnen Folienpartikeln im additiven Verfahren ihr Bildnis kreiert. Und obwohl der Stoff dieser Kunst Plastik, und das Bild geklebt ist, wurde hier doch in alter Tradition gemalt, denn die Valeurs der Haut, die naturalistische Tonigkeit von Gesichtspartie und Haaren wurden mit sogenannten warmen und kalten Farben gestaltet, einer jahrhundertealten Technik, die Höhen und Schatten schafft und eine Dimension in die Tiefe sowie Körperlichkeit vortäuscht.
Diese Illusion entfaltet sich perfekt mit einigen Schritten Abstand: der Betrachter sieht zwei junge Frauen, kommt man näher, wird die Zusammensetzung des Bildgrundes zunehmend sichtbarer, bis sie, steht man ganz dicht davor, in die Struktur zahlreicher kleiner Plastikteile zerfällt. Dieses Spiel mit der Wahrnehmung, die Auflösung des Sujets, des Zergliedern in die Collage - all diese Aspekte setzen das Doppelbildnis in die Erbfolge seiner Vorbilder. Die Schwestern nennen Sigmar Polke, Gerhard Richter, Hellnwein und Chuck Close. So unterschiedlich deren Werke auch sind, allen gemeinsam ist das Experiment mit der Wahrnehmung, der Bildgattung und dem Medium Bild an sich. Die in akribischer Feinarbeit gemalten farbigen Parzellen von Chuck Close schließen sich im Auge des Betrachters erst zum Porträt zusammen, und das mit größter realistischer Wirkung. Das geschlossene Bild selbst existiert jedoch nicht real, sondern nur als optische Mischung in unseren Augen. Dieses Phänomen führt letztlich zurück ins 19. Jahrhundert, zu den Entdeckungen des Impressionismus und zur pointillistischen Technik eines Seurat.
Mit all diesen Spuren und Aspekten sind wir schon ganz nah dran am wesentlichen dieses Bildnisses - aber ist es denn überhaupt eines oder doch vielmehr ein übergroßes Detail eines Ganzen, ein vergrößerter Ausschnitt eines anderen Bildes, denn die zwei Frauen sehen den Betrachter nicht an, sie präsentieren sich nicht im klassischen Frontal oder Halbprofil. Sie scheinen vielmehr versunken in etwas, ihr Bildnis zu geben steht nicht im Vordergrund des Interesses. Und damit sind wir bei einem weiteren Bereich der Modernen Kunst - der Photographie!
Die Künstlerinnen arbeiten mit diesem Medium, sie verwenden es als Vorlage oder direkt in ihren Collagen und Installationen. In einigen Blättern wurde mit Photopapier gearbeitet, darauf aber gemalt - dieses Photo ist kein Photo, aber es hat seine Materialität oder die Ausschnitthaftigkeit des festgehaltenen flüchtigen Moments. Das schnelle Medium der Photographie mit der Erzeugung der perfekten visuellen Illusion wird konterkariert durch das handwerkliche und langwierige Prozedere der Malerei - wer so versiert arbeitet wie die beiden Schwestern darf mit der Modernen Kunst und ihren Betrachtern auch mal kleine Späße treiben, oder ?

Das Stichwort für die Kunst der Petschatnikovs lautet “Contamination”, d.h. soviel wie Verschmelzung, Durchdringung und zieht sich als eine Art Prinzip durch ihre Werke. Gemeint ist damit die ästhetische Verbindung von scheinbar Gegensätzlichem oder von Ideen, Strukturen und Materialien, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben.
Das Doppelporträt fügt sich nicht nur aus Schichten von Folienpartikeln zusammen, sondern auch aus den Überlagerungen von Moderne und Tradition, Malerei, Photographie und Installation, alten und neuen Bildtechniken. Es ist nicht mehr glatt und quadratisch im Format, seine Struktur ist sichtbar, das Bild ist weich. Sehgewohnheiten werden aktiviert und im nächsten Moment ad absurdum oder auf eine andere Fährte geführt.

Die Grundstruktur dieses Prinzips findet sich auch im “Efeu-Bild”, der Wandinstallation aus hunderten von farbigen Warennetzen aus allen erdenklichen Regionen.
Bunt und fast schon organisch rankt sich das Gebilde der vorgegebenen Form der Wand entlang, biegt wuchernd um die Ecke, stößt an die Decke und kriecht auch da weiter. Die glatte, statische Wand als “Malgrund” und Form weist somit der Installation den Weg. Die aber, weich, vielteilig, nichts als eine labile Struktur, überwuchert die Architektur und macht aus ihr etwas anderes - weich, bunt, organisch kommt sie in einer neuen Wirklichkeitsform daher. Die Durchdringung von einer harten Form durch die flexible Struktur dieser Installation - EFEU wird gleichsam zur Metapher eines Kunstkonzeptes!
Das gegenseitige durchwachsen, überwuchern und durchdringen von Formen und Strukturen zeigt sich auch auf den kleinformatigeren Werken. Dabei geben sowohl die Eigenschaften des Materials als auch die vorgefundene Substanz die Inspiration zur Gestaltung. Diese Efeu-Installation trat schon an verschiedenen Orten auf, weitläufige und enge, geschlossene und offene Räume und sie war für Sothebys in Berlin zu sehen - sie wirkt immer anders, nicht nur in ihren Dimensionen, sondern vor allem in Bezug auf den Ort. Der gibt die Form und das Ausmaß vor, die Realisation erfolgt und schließlich ist es der Raum selbst, der seine Gestalt verändert hat.
War Kunst in der Vergangenheit entweder die Nachahmung oder die Umwandlung der Wirklichkeit, so bietet sich in der Gegenwartskunst eine weitere Möglichkeit, die der Produktion der Wirklichkeit. Vom Altertum bis in die Moderne bedeutet Kunst ein Mittel, mit dem der Mensch Wirklichkeit erst gewinnt, mit der er sich die Welt aneignet.
Der Begriff ‘Malerei’ auf russisch bedeutet wörtlich übersetzt soviel wie “lebendes Schreiben” - mit der Efeu-Metapher haben Maria und Natalia ein Ausdrucksmittel gefunden, welches ihnen erlaubt, all die Einflüsse der Kunst und Kunstgeschichte, die Materialien und Techniken der Malerei, der Zeichnung und der Installation umzusetzen. Für sie gehört auch das additive Kleben von Folienschnipseln und Tüllstückchen oder das installieren kleiner bunter Knäuel aus Warennetzen zum Prozess des Malens. Mit dem Malvorgang schreiben sie sich durch ihr Werk, mit unterschiedlichem Material, mit wechselnder Schrift sozusagen. Ihr Esprit reibt sich an Dingen, die etwas anderes sind, als sie zu sein scheinen. Das treibt sie in ihren Projekten voran und auf den bisher kleinformatigen Fassadenbildern sowie den “Identity-Cards” zeigt sich eine weitere Variante dieses Spiels: Die paarweise Anordnung von gewöhnlichen Passbildern aus dem Automaten einerseits und die rhythmische, immer gleiche Anordnung der Fensteröffnungen in Häuserfassaden andererseits - zwei scheinbar unzusammenhängende Dinge erscheinen auf den Exponaten hier vor Ort in ihren strukturalen Formen überlagert, sie bilden eine neue optische Einheit aus dem Rhythmus ihrer gemeinsamen Gliederung.
Die Zeichnungen können auch als Konstruktionsskizze gesehen werden, denn die beiden denken an eine realistische, fassadenhohe Installation mit passbildähnlichen Bildnissen im Bereich der Fensteröffnungen - it’s just Contamination!
Die kleinformatigen “Identity-Cards” bestehen aus winzigen geklebten Folienteilchen und führen visuell und durch das Material den Gedanken der überprüfbaren Identität, des Ausweises der Persönlichkeit an der Nase herum. Je näher man den von Weitem täuschend ähnlichen Pässen kommt, desto mehr lösen sich individuelle Züge ins schemenhafte auf - die Inversion der Sehgewohnheiten.

Hier, wie auch bei dem großen Doppelbildnis, den Kleinformaten und Skizzen sowie der Efeu-Installation zeigt sich das Werk bestimmt durch das Material. Strukturen, Oberflächen und deren Durchdringung in der Collage, das Spiel mit Zitaten aus der Kunstgeschichte und die Stofflichkeit der malerischen Mittel im weitesten Sinne stehen im Zentrum dieser Kunst. Kaum scheint der Betrachter etwas dingfest gemacht zu haben, so muss er im nächsten Augenblick erkennen, das nicht alles das ist, was es zu sein scheint: Ein Photo entpuppt sich als Malerei auf Kontaktpapier, auch eine Collage kann vorgetäuscht sein, ihre einzelnen Bestandteile sind die Illusion einer ausgefeilten Maltechnik. Virtuos bedienen sich Maria und Natalia Petschatnikov der traditionellen künstlerischen Mittel und den Einflüssen der Moderne, dabei verschreiben sie sich nicht einer Richtung oder geben bekennendes Statement - ihr Interesse gehört dem Material und dem Prozess des freien Gestaltens. Alles was sie umgibt kann Stoff ihrer Kunst sein, kann zum Kunst-Stoff arrangiert und Teil ihrer Formensprache werden. Wie bei der Technik des additiven Malverfahrens handelt es sich bei den einzelnen Arbeiten immer um den Teilaspekt eines größeren Ganzen, aufgesplittet in viele Phasen eines Werkes. So fügt sich ihre Kunst im Auge des Betrachters zu einem Werk zusammen - wir werden es im Blick behalten!

Ganz herzlichen Dank an Maria und Natalia für ihre Zusammenarbeit und Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit der Kunst, ihren Betrachtern und nicht zuletzt ihren Analysten. Ich wünsche Ihnen weiterhin einen so unverstellten Blick auf die Welt und die Vielschichtigkeit ihrer Erscheinungsformen und natürlich viel Erfolg bei allen weiteren Projekten.

Sandra Hirsch, Kunsthistorikerin Hamburg im Dezember 2001